Malen und Sticken am Rande Kitsches "Tränen lügen nicht." Die Zeile ist so sentimental wie wahr, so eingängig wie rührend zugleich.Es sei denn, es handelt sich hierbei um Krokodilstränen. Aber das ist bei Barbara Zenner und ihrer Kunst nicht der Fall. Wird bei ihr geweint, dann ist es der traurige Hase, dem wie Perlen die Tränen aus den Augen kullern. Aber warum weint er bloß, der Meister Lampe in seinem rosa Fell auf seinem blauen Fleckchen Erde? Weil er über den Lauf der Welt sinniert. Weil er wie alle klugen, törichten, mutigen und melancholischen Wesen im Reich der Fabeln die Stelle des über die Welt nachdenkennden Menschen einnimmt. Barbara Zenner malt, stickt und zeichnet ohne Umwege. Ohne den Kitsch und das Triviale ihrer Motive als Vorwand für Iromie zu nehmen. Ob Barbie-Puppen, Dinosaurier, treue Schäferhundseelen oder barocke Engel: In den Augen der Künstlerin bekommen all diese Wesen eine unmittelbare Daseinsberechtigung.
Zwar erinnern sie an Bilder aus Magazinen, an Abziehbilder und Plakatmalerei. Doch die Liebe, mit der sich Zenner ihren Motiven widmet, macht den trivialen Kontext oft vergessen. Mit Nadel und Zwirn stickt sie Portraits, strickt ihren gezeichneten Figuren Hut oder BH an den Körper oder versetzt afrikanische Models vor goldenen Hintergrund. Anbetungswürdige Köpfe, die hier vor pseudoreligiösem Gold eine ideale Schönheit ausstrahlen. Und dann sind es lasurgemalte Portraits, die oberflächlich besehen an Kaufhauskunst erinnern, ihrer Machart nach aber afrikanische Maltechniken ins Spiel bringen.
Alles in allem eine malerische Gratwanderung, die Barbara Zenner hier vollzieht. "Mit schlafwandlerischer Sicherheit", wurde einmal über sie geschrieben, "begibt sich Zenner in die Niederungen des schlechten Geschmacks." Umso erstaunlicher ist, daß sie dabei wieder unbeschadet herauskommt.
Hamburger Abendblatt 2003
In Ihren Werken verschränkt Barbara Zenner altmodische, einem häuslichen Zusammenhang zugeordnete Techniken und Werkstoffe mit zeitkritischen Aussagen,die diesen Zusammenhang sprengen.Noch immer wird der Umgang mit Stoffen, werden Sticken und Nähen, Häckeln und Knöpfen als spezifisch weibliche Tätigkeiten angesehen. Sie gelten als Ausdruck einer an die Pflege von Haus und Familie gebundene Kreativität, als belächelter Zeitvertreib,der mit den großartigen Gesten wahrer Künstler wenig gemein hat. Die an altagserfahrungen orientierten Sehnsüchte und Bedürfnisse, die Schönheitsvorstellungen und Ideale, die sich in Häkelkissen, Zierdeckchen und selbstgeknüpften Teppichen äußern, finden im Museum keinen Ort.
Und doch ist die Alltagskultur - wenn auch nur als Gegenbild - der Nährboden, aus dem alle große Kunst entsteht. In dem Zenner gängige Handarbeitstechniken traditionellen Kunstformen wie der Malerei oder der Zeichnung gleichsetzt, bekennzt sie sich nicht nur zu einer ihr als Frau vertrauten Ästhetik. Sie trägt ein Stück Normalität ins Bild, und damit eine Wirklichkeit, der gegenüber sich jede auf Änderung der bestehenden Verhältnisse zielende Vision behaupten muß. In ihren jüngeren Arbeiten ist Zenner dazu übergegangen, unterschiedliche Sprach- und Darstellungsebenen miteinander zu verbinden. Wie die Heiligen auf byzantinischen Ikonen sind die Köpfe der Fotomodelle, der Götter des Kommerzes, von einem die Wirklichkeit transzendierenden Goldgrund umgeben. Die Gesichtszüge der Modelle allerdings sind gestickt. Blattgold und Stickgarn, verehrende Überhöhung und Erdung in der Wirklichkeit halten sich die Waage. Auch die abgegriffene Trivialität der Barbie Homes wird duch die Darstellungsform gebrochen. Die sterile Plastikwelt der seelenlosen Puppen wird über die miniaturhaft präzise, dennoch naiv anmutende Lasurmalerei ins Intime, Melancholische und Alltägliche gewendet. Mit schlafwandlerischer Sicherheit begibt sich Zenner in die Niederungen des schlechten Geschmacks. Afrikanischer Nippes, Rosenverkäufer, rammelnde Kaninchen - nichst erscheint ihr der Kunst unwürdig. Denn sie weiß, daß die Wirklichkeit im Trivialen ebenso ihr zuhause hat wie im Erhabenen.
Katharina Hegewisch 1993
Occasionally dispatches from the world of the department store reach the art world. This is certainly nothing new today. for decades artists have been mining consumer culture with varying results:some lead to kitsch, others to art as commodity. Some artists, among them Barbara Zenner, are attracted to the commodity world because it is more seductive than art itself.
In one piece, Zenner used salt and pepper shaker set. Nothing unusual in that but the form: two corpulating rabbits that probably are supposed to add visual spice to the contents. Zenner enlarged two other rabbits into stuffed animals reminiscent of children`s toys; the adult world with its so sometimes vulgar jokes becomes childlike and naive. Another work, a clown with music and motor, together with its companion, a hippopotamus, ushers chilhood imagination into the adult world.
From textiles Zenner sews, knits, and crochets her works. She has used fabric for some time, but it is only recently that she began to shape it into figures. this echibition was like encountering a group of familiar signs: Donald Duck, Snow White, or the head of a German shepherd.
Zenner forms these cartoon characters from stuffed blankets or creates batik patterns.In one work she crocheted the figure of a Pakistani flower vendor onto a white fabric so that his dark hands and the flowers shine more brilliantly. One special work, "John the Baptist", 1992 was dedicated to a friend from ghana, who appears three times in this triptych. His variegated portraits rise off the white background almost like a relief. Partially clothed in a velvet cloak in one, partly sewn into the background and surrounded with the halo of a saint in another, he looks like a holy man from a far-off-continent.
Zenner also produces drawings of popular images like swans, babies, a rosycheeked young girl, ore a young woman. In these drawings she undermines the trivial nature and kitschy quality of her banality. Zenner seems to love her subjects because they are more than just religious or profane, and because taste seems today to be antiquated category of esthetic judgement.
ARTFORUM 1993 (Wolf Jahn)
Im vorderen Teil des Raumes hocken zwei riesige, rammelnde Hasen aus Stoff der eine grob kariert, die andere in Pepita. An der Wand Ihnen schräg gegenüber lehnt ein weiteres Hasenpaar, das lang und gehäckelt ist. Der Hasen-Dame hängt eine rosa Handtasche über dem Arm, ansonsten tragen die Beiden herrlich muffiges Wollrestbraun, das teilweise von Goldfaden durchwoben ist und die Firma Bennetton höchst merkwürdig beim Wort nimmt. Mehr und mehr wird man in eine aus Kaufhaus, privater Obsession, Kindheitserinnerung und türkischem Neuschwanstein gewobene Zwischenrealität hineingezogen.
Aus der hinteren Ecke klimpert eine elektrische Spieluhr, die in einem gepunkteten Clown steckt, der herzergreifend monoton seinen Kopf kreisen läflt. Auf dem Rücken ist ihm eine Entlüftung implantiert, welche die durch den Motor erzeugte Wärme herausbläst. Wenn man die Hand auf diese Ventilation des Clownes legt, ist man an das warme Wabbern einer elektrischen Vagina erinnert. Die Wände sind üppig mit riesigen, farbenprächtig bestickten und bezeichneten Tuchbildern übersäht. diese Fülle ist bedrängend, aber nie aufdringlich.
An der hinteren Wand hängt ein Tryptichon, der den dreimal lebensgroßen "John the Baptiste" aus Ghana zeigt, schön, beinahe aus dem Rahmen springend, halb gestickt, halb in einen Samtmantel gehüllt. Ein 3D-Effekt der wie auch der Heiligenschein aus Blattgold, an Deckenmalereien der Renaisssance erinnert. ein unerklärlich geglückter Drahtseilakt, über dem Kitsch. Überhaupt gelingt Barbara Zenner vieles von dem was jemand wie Mike Kelley häufig nur mit dem Holzhammer und viel Mühe hinbekommt. Auch in der Fülle greifen die Arbeiten nicht auf leere Posen zurück. Selbst in ihren banalsten und absurdesten Momenten sind sie von einer deutlichen Notwendigkeit erfüllt. Eine sehr persönliche Arbeit, die aber in jedem Detail auf eine immer unerträglicher werdende Außenwelt verweist. Bilder eines Alptraumes von dem man immer weniger weifl, ob er schön oder schrecklich ist. Ob man durch ihn noch wach oder schon völlig betäubt hindurch geht.
Barbara Zenner in der Galerie Jürgen Becker v. 11.09. bis 17.10.1992
Barbara Zenner praktiziert eine Art modernen Gegenzauber, der sich das industriell gefertigte Massenprodukt, die austauschbare Ware, durch die individuelle Geste wieder aneignet und auratisiert.
Zenner nutzt die Phänomene und Oberflächen unserer Alltags- und Konsum- Welt und der Medien. Sie unterzieht deren Wertigkeit und Ideale einer ästhetischen und auch moralischen Prüfung durch die Aneignung und Korrektur. Kommerzielle Werbebilder aus Modezeitschriften werden zu Heiligenbildern transformiert, die beim Betrachter Gefühle religiöser Andacht evozieren können. Das serielle Produkt und Bild wird durch den künstlerischen Prozess neu beseelt.
Die Aneignungsstrategien von Barbara Zenner bewegen sich ohne jede Hierarchie zwischen alten Handwerken – und heute als weiblich konnotierten Techniken wie Nähen und Sticken einerseits, der Ölmalerei, als dem traditionellen Schlachtfeld des männlichen Künstlergenies, von der federleichten ephemeren Pappmacheskulptur aus der Bastelstube bis zum Bronzeguss.
Gemeinsam ist allen diesen Techniken ein hoher Aufwand an Zeit, ein sich jeweils über Monate erstreckender künstlerischer Arbeitsprozess, der sowohl die Stickarbeiten als auch die in Lasurtechnik ausgeführten Ölbilder charakterisiert. Dieser aufwändige Entstehungsprozess konterkariert die industrielle Fertigung der als Massenware hergestellten Objekte und verwandelt die Sujets in einmalige und nicht austauschbare Momente der subjektiven Erfahrung.
Neben der Ästhetik der kapitalistischen Konsumwelt, wie sie auch in der Pop- Kultur thematisiert wurde und wird, finden sich in Zenners Werk weitere künstlerische wie Primitivismus und andere Paradigmen der Moderne. In ihren Werkgruppen transformiert Zenner so die Schönheitsideale von Barbie und Germany`s Next Topmodel genauso wie die Paradigmen vom „Grünen Punkt“, der Rettung der Welt durch die Mülltrennung, die gesetzliche Aufhebung von Rassen „John the Baptist“ dessen afrikanische Wurzeln (Balthasar) in der westlichen Kunstgeschichte getilgt wurden und der heute als ein farbiger Einwanderer wiederkehrt – und Lohnsklaverei und das Demokratieverständnis der klassischen Moderne sowie alle anderen imperativen westlichen Strategien der Weltverbesserung konterkariert und nivelliert unser Wertesystem und unsere Vorstellung von Authentizität und Schönheit.
Der Katalog verbindet diese verschiedenen künstlerischen Themenfelder von Barbara Zenner und zeigt Wert- und Identitätserzeugung im kapitalistischen Markt, Konzeptionen und Ausgrenzungsstrategien der Moderne
1961 - 1963 | Werkkunstschule, Hamburg/Highschool for Art , Hamburg |
1962/1969 | Geburt der Kinder/ birth of children |
1980 - 1989 |
Hochschule für Bildende Künste, Hamburg, Prof Stanley Brouwn Diploma /Highschool for Art, Hamburg, |
1990 | Heirat mit William Kakari, Ghana, Afrika |
1989 | Westwerk, Hamburg |
1992 | Gallery Jürgen Becker, Hamburg |
2003 | Gallery Jürgen Becker, Hamburg |
2004 | Gallery Jürgen Becker, Hamburg |
2006 | Gallery Jürgen Becker, Hamburg |
2010 | Gallery Jürgen Becker, Hamburg |
2023 | Gallery Jürgen Becker, Hamburg |
1990 | Bunnies ,Gallery Nolan/Eckman, New York |
1990 | Apriori, Kunsthaus, Hamburg |
1991 | Das Andere Gedächtnis, Künstlerhaus, Hamburg |
1993 | Sachkunde 3, Kunsthaus, Hamburg |
1993 | Antependien,Gnadenkirche, Hamburg |
1994 | Elisabeth-Schneider-Preis 1994,Elisabeth-Schneider-Stiftung, Freiburg |
1995 | Gallery Nolan/Eckman, New York |
1995 | Gallery Jürgen Becker, Hamburg |
1995 | Art 95, New York |
2011 | Velada Santa Lucia/Venezuela (Chiaroscuro) |
2012 | Dis Placements, Künstlerhaus, Hamburg |
2012 | (PI, die Verwandlung des Kreises)Drostei Hamburg Pinnebeg |
2012 | Gallery Marina Wolff, Mailand/Milano |
2012 | Öl-Früh, Hamburg |
2013 | Mehr als Schein, Gallery Zoumboulakis, Athen, Greece |
2014 | Osterwalders Art Office, Hamburg |
2015 | Cover,Gallery No Name, Hamburg |
2017 | Noch Schöner Wohnen, Gallery Jürgen Becker, Hamburg |
2017 | Künstlerinnen der Admiralitätstr., Showroom Stadler-Euler, Hamburg |
2018 | Alles ,Studio Hochhaus, Berlin |
2021 | Gruppenausstellung Künstlerhaus Sootbörn, Hamburg |
2021 | Benefiz-Kunstauktion, Ankauf Veganart |
2022 | ALLES IV , Gruppenausstellung Hochhaus Berlin |
2023 | Poolhaus hamburg blankenese |
2023 | Hochhaus Alles, Berlin |
2023 | Kunstverein Köln |
1988 | Certificate of Excellenci, Art Horizons, USA |
1992 | Foto artshow J. Becker Artforum 11/1992 |
1993 | Auftragsarbeit/commission, Bayerische Hypotheken-u Wechselbank, Cottbus, |
1993 | Förderung/Promotion, Edwin-Amsinck-Stiftung, Hamburg |
1993 | Artforum 05/1993 article / Foto, author : Wolf Jahn |
1993 | Kunstpreis Altona, Hamburg (1. Preisträgerin)1.Prize Winner |
1995 | Bunnies, Artforum 05/1995, USA, article/ Foto,author: Keith Seward |
2006 | Buch/book Murki Wehr,Kirschkerne, Hamburg, Zeichnung /drawing |
2014 | Künstlerbuch mit DeBrito, Artbook with Fernando de Brito Spiegelberger Kunst u. Medien, Hamburg |
2014 | Was Tragen Künstler, Szene 07/2014 Hamburg/article, Foto, |
2015 | Weltschalprojekt/worldmufflonproject, Sabine Pavenstedt, Hamburg |
Plattform für Online-Streitbeilegung (OS)
Die Europäischen Kommission hat eine Plattform für Online-Streitbeilegung (OS) bereitgestellt, um Verbrauchern und Händlern in der EU oder Norwegen, Island und Liechtenstein die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Online-Kauf von Waren und Dienstleistungen zu ermöglichen.
Die OS-Plattform ist erreichbar unter dem Internet-Link:
https://ec.europa.eu/consumers/odr/.
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